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Bildergalerie

© Patrick Opierzynski
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Kamen, den 21. November 2008

R E D E M A N U S K R I P T

Karl-Heinz Vondracek, Dezernent der Bezierksregierung
150 Jahre Gymnasium Kamen
Sehr geehrter Herr Bürgermeister Hupe,
Sehr geehrter Herr Oberstudiendirektor Gahlen,
Liebe Schülerinnen und Schüler,
Sehr geehrte Eltern, Kolleginnen und Kollegen,
verehrte Damen und Herren!
Ich danke für die Einladung und freue mich den 150. Geburtstag der Schule gemeinsam mit Ihnen feiern zu dürfen.
150 Jahre –  da stöbert man im Vorfeld einer solchen Einladung in den geschichtlichen Annalen.
Begriffe, Stichwörter lösen Bilder aus, Assoziationen, Gedankenketten,  Fakten verknüpfen sich. …..
Vorstellungen relativieren sich, werden auch plastischer.  So experimentiert man:
Zählt man zu der Zahl der Schülerinnen und Schüler noch die der Lehrerinnen und Lehrer hinzu, erreicht man fast die Einwohnerzahl, die Kamen am Ende des Mittelalters hatte.  Die Einwohnerzahl Kamens lag seinerzeit bei etwa bei 1500 Personen.
Nimmt man also dann noch Eltern und Geschwister dazu dann wird die Schule aus dieser Perspektive zu einer Großstadt.
Hier wird die Schulgemeinde einmal in einer Dimension sichtbar, die wir in den modernen Zeiten häufig vergessen, bewusst zu betrachten.
Eine Lateinschul-Gemeinde hat sich zu einer Großstadt entwickelt – mit einer inzwischen 150jährigen Geschichte.
So ein Gemeinwesen zum Erblühen zu bringen und blühend zu erhalten bedurfte in der Vergangenheit und bedarf in der Gegenwart des guten Zusammenspiels aller und der großen Anstrengungen jedes Einzelnen.
Wenn man auf 150 Jahre blickt und das JETZT betrachtet, darf man aufrichtig gratulieren:
Herzlichen Glückwunsch, Gymnasium Kamen, zum 150. Geburtstag!
Mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert stieg auch der Bedarf an Schulen.
Das Gymnasium Kamen wurde gegründet nachdem die Streckenbauarbeiten der Eisenbahn durch Kamen abgeschlossen, 1846 die "Fünf-Bogen-Brücke" bei Kamen (eine der ältesten Eisenbahnbrücken Westdeutschlands) gebaut und 1854 der Bau des Kamener Stationsgebäudes fertig gestellt war.
Der Pionierleistung Eisenbahn folgte die Pionierleistung Schulgründung.
Eisenbahn in Kamen und Gymnasium Kamen – beide gehören einer Generation an.
Am 2. Mai 1847 fuhr der erste Zug durch Kamen nach Hamm; am 15. Mai war die offizielle Bahnhofseinweihung in Kamen und Hamm.
Der Kamener Pfarrer Friedrich Proebsting, der die kommende Bedeutung der Bahnstrecke nicht überschätzt hatte, nannte den Kamener Bahnhof bei der Einweihung einen "Hafen an einem der größten Ströme Europas".
Relativieren wir einmal das "einer der größten Ströme" so ist auch das Gymnasium Kamen ein Bahnhof mit vielen Wegen nach Europa, die immer weiter ausgebaut und befahren werden:
Das bezeugen die vielen Schulpartnerschaften und Begegnungen.
Das Gymnasium Kamen hat sich als eines seiner Ziele gesetzt, eine „Schule im Gespräch“ zu sein, die im Inneren die fachliche und persönliche Kommunikation pflegt und sich nach außen öffnet und mit vielen Institutionen kooperiert.
Diese Kommunikationsbereitschaft erschöpft sich nicht in Gesprächen auf dem Bahnsteig nach Lösen einer Bahnsteigkarte.
Was diese Schule in ihrer Geschichte und heute auszeichnet ist, dass neue Herausforderungen erkannt und angenommen werden, dass man sich ohne zu langes Zögern auf den Weg macht, die Fahrkarte für die notwendige Strecke löst, den Zug besteigt und die Fahrt antritt.
Und wenn erforderlich – dann  werden auf wichtigen Wegstücken die fehlenden, aber notwendigen Schienen auch einmal selbst verlegt.
Wer den 150. Geburtstag feiert, dürfte nach herkömmlichem Zeitverständnis wohl als erwachsen gelten.
Ist die Jubilarin aber eine Schule, dann ist auch von Bedeutung wie "jung" sie andererseits ist.
Denn: Schule hat aber nie die Aufgabe gehabt, bloß in die Vergangenheit zu schauen.
Die Aufgabe von Schule war es von jeher, junge Menschen auf die Gegenwart und auf ihr zukünftiges Leben vorzubereiten.
Daher motiviert es zu wissen, wie erfolgreich die ehemaligen Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Kamen auf dem Fundament ihrer schulischen Ausbildung in Studium und Beruf gearbeitet haben.
Es motiviert auch, zu wissen, dass es in der Geschichte der Schule immer wieder Menschen gegeben hat, die nicht nur gefragt haben, ob das Schulprogramm den Notwendigkeiten der Gegenwart und der Zukunft noch entsprach, sondern die auch konsequent und mit viel Engagement und Ausdauer
daran gegangen sind, die notwendigen Veränderungen und Reformen einzuleiten und durchzuführen, damit die Schule nicht sich selbst genügt, sondern stets der Ort bleibt, an dem die Schüler "tatsächlich für das Leben lernen", für die individuellen und gesellschaftlichen Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft.
Dafür haben Sie und viele vor und mit Ihnen an dieser Schule gute Voraussetzungen geschaffen.
WEIL FÜR SIE NICHT NUR GALT: YES, WE CAN
SONDERN IMMER WIEDER AUCH: YES, WE DO
Das gilt für das hohe Maß an Engagement das Schulträger, Schulleitung, Lehrerinnen, Lehrer, die Schülerinnen und Schüler, Eltern, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für ihre Schule einbringen.
YES, WE DO
Dieser Aufforderung folgend haben Sie in vielen unterrichtlichen und außerunterrichtlichen Aktivitäten, in den verschiedensten Bereichen – Grundlagen für eine umfassende Bildung gelegt, das Schulprogramm mit Leben erfüllt, junge Menschen auch auf die Anforderungen einer Zukunft in einer globaler und komplexer gewordenen Welt vorbereitet.
Ich möchte allen, die in der Vergangenheit dabei mitgewirkt haben, und allen, die sich in der Gegenwart weiterhin engagiert einsetzen – auch im Namen der Bezirksregierung, Dank und Anerkennung aussprechen.
Ich wünsche der Schule, dass sie den Pioniergeist der zurückliegenden 150 Jahre bewahren kann  und resistent bleibt gegen die Gefahren einer Erstarrung in Routine.
Ich wünsche allen Beteiligten die dazu notwendige Kraft und Ausdauer, viel Glück und Erfolg.
Denken wir bei allem Tun auf den vielen Fahrtstrecken "vom Hafen an einer der größten Ströme Europas" aber hin und wieder auch an eine alte Legende:

Ein junger Mann betrat einen Laden.
Hinter der Theke stand ein älterer Mann.
"Was verkaufen Sie, mein Herr?" fragte der Junge.
"Alles, was Sie wollen!" antwortete der Alte.
"Nun wenn dem so ist,
dann hätte ich gern den Weltfrieden, die Beseitigung der Armut, das Ende der Rassentrennung, die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau und ..."
Da fiel ihm der Alte freundlich ins Wort.
"Entschuldigen Sie, junger Mann, Sie haben mich falsch verstanden:
Wir verkaufen keine Früchte, wir verkaufen nur den Samen."


Der Schule weiterhin:      ALLES GUTE!Zum Seitenanfang
Kamen, den 21. Nopvember 2008

Georg Gahlen - Schulleiter

Festakt zum Schuljubiläum
Liebe Schülerinnen und Schüler, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Eltern, sehr geehrte Gäste!

Am morgigen Samstag, vor genau 150 Jahren, also am 22. November 1858, gab es eine schulpolitische Entscheidung, die für die Geschichte unseres Gymnasiums von zentraler Bedeutung war: es wurde ein Vertrag unterzeichnet von Vertretern der Stadt Kamen und der evangelischen Kirche.

Wenn der Historiker die vorliegenden Quellen jedoch etwas intensiver betrachtet, dann findet man die Ursprünge der Schule, man erwartet es kaum, schon im 15. Jahrhundert.

Denn in einer Urkunde aus dem Jahre 1418 heißt es: drei adlige Brüder aus Bönen lassen einem damals offensichtlich  schon existierenden „Schulmeister“ in Kamen eine Zuwendung zukommen, allerdings mit einer Auflage: er muss mit seinen Schülern regelmäßig während des Gottesdienstes singen, und zwar in Latein, wie damals üblich. Da es ähnliche Dokumente aus späteren Jahren des 15. Jhs. gibt, können wir davon ausgehen, dass die Wurzeln unserer Schule in dieser Zeit gelegt wurden. Aber, ich denke, auf dem Jahr 1418 wollen wir gar nicht bestehen, denn sonst müssten wir für 2018 unsere 600-Jahr-Feier vorbereiten. Die präzise Bestätigung für eine in Kamen bereits existierende so genannte „Lateinschule“ findet sich dann 1586: 14 Persönlichkeiten aus Adel und Bürgertum machen der Schule eine „große Schenkung“ in Form von 1520 Talern, ein außergewöhnlich hoher Geldbetrag für die damalige Zeit. Die ersten Sponsoren waren also gefunden!! Welche Motive mögen die reichen Adligen und angesehenen Bürger zu dieser Maßnahme getrieben haben? Zum einen waren sie sicherlich beeinflusst von den zeitgemäßen geistigen Strömungen der Renaissance und des Humanismus, die den Menschen, seinen Verstand und seine Bildung in den Mittelpunkt stellten. Zum anderen verwirklichten sie zweifellos die Ziele der Reformation, denn, ich zitiere Theo Simon: „Der größte Teil der (Kamener) Bevölkerung bekannte sich zur Augsburger Konfession, der grundlegenden Bekenntnisschrift der lutherischen Kirche aus dem Jahre 1530.“ (S. 19)
Kamen war also reformatorisch geworden und man wollte sich auch im Schulwesen bewusst absetzen von den traditionellen Vorstellungen und auch Geld sinnvoll investieren. Zum dritten ist überliefert, dass die existierende Schule sehr heruntergekommen war in Bezug auf den Zustand des Gebäudes bzw. der Unterrichtsräume, die Besoldung der Lehrer und die Schülerzahl; denn eine Schulpflicht gab es damals noch nicht. Somit kam die großzügige Schenkung zum richtigen Zeitpunkt. Diese „Schola Latina Camensis“, d.h. diese Evangelisch-Reformierte Schule”, hatte ihr Schulgebäude in der Nähe der Pauluskirche, sie bestand aus 2 Klassen mit vermutlich max. 24 Schülern und 2 Lehrern. Es gab Unterricht (aufgeteilt in öffentlichen und privaten) am Vor- und Nachmittag und das Hauptfach war, die heutigen Schüler werden es kaum verstehen, Latein. Die Schule diente in erster Linie zur Vorbereitung der Schüler auf die Universität.
Die Zeit nach 1586 bis zu unserem Gründungsjahr 1858 war einerseits geprägt durch einen verständlichen Aufschwung der Kamener Lateinschule, hervorgerufen durch die angesprochene Schenkung; andererseits durch große Beeinträchtigungen: es gab den Dreißigjährigen Krieg, den Siebenjährigen Krieg sowie die Veränderungen durch die Herrschaft Napoleons. Letztere konnten nicht zwingend zu einem blühenden Schulwesen beitragen.
Jedoch greift, meine Damen und Herren, zum Ende des 18. und Beginn des 19. Jhs. die „Verweltlichung“ von Schule, d.h. die Lösung aus der kirchlichen Aufsicht,  immer mehr um sich und man will ggf. unklare Besitzverhältnisse klären. In diesem Zusammenhang ist auch die richtungsweisende Entscheidung zu verstehen, die morgen vor 150 Jahren, also am 22. November 1858, getroffen wurde. Im Kamener Rathaus sitzen sich die Vertreter der Stadt und der Kirche gegenüber, und den Vorsitz der Versammlung hat der Regierungsrat Buschmann aus Arnsberg. Der schnell herbeigeführte, weil intensiv und über einen längeren Zeitraum vorbereitete Beschluss lässt sich schnell zusammenfassen:
  • die Stadt Kamen wird ab sofort Eigentümerin der „Lateinschule“
  • sie übernimmt die Sorge für die Schulräume, das Inventar, die Lehrmittel sowie die Besoldung der Lehrer
  • die Schule erhält ab sofort den Namen „Städtische Rektoratschule“
Und dieses Ereignis, liebe SuS, liebe KuK, liebe Gäste, wollen wir heute und in diesem Schuljahr besonders feiern !!
Diese neue Schule, und damit die erste städtische Schule Kamens, erhielt 1859 ein fünfköpfiges Kuratorium als städtische Aufsichtsbehörde, in der der Bürgermeister und der älteste Pfarrer der größeren evangelischen Kirchengemeinde ständige Mitglieder waren. Für den Unterricht der neuen Rektoratschule bezog man auch ein neues Gebäude. Man verließ offensichtlich das Schulhaus an der Pauluskirche und mietete ein Zimmer im Hause des Schuhmachers Grevel am Alten Markt. Hier konnten ca. 20 Schüler untergebracht werden.  Der erste Rektor und einzige Lehrer war Herr Andreae. Die vorliegenden Quellen berichten dass die neue Schule zwei Ziele verfolgte: „ ... einestheils ist es ihre Aufgabe, die erlangte Elementarausbildung weiter zu führen und die Schüler für ihren zukünftigen Beruf vorzubilden, anderentheils soll sie diejenigen Schüler, welche später eine höhere Lehranstalt besuchen, womöglich bis zur Obertertia eines Gymnasiums resp. Realgymnasiums vorbereiten.“ (Simon, 76) Zur Aufnahme in die Rektoratschule war entweder das Entlassungszeugnis der Volksschule vorzuweisen oder der Kandidat musste eine Aufnahmeprüfung ablegen. Die Eltern waren zu einem jährlichen Schulgeld verpflichtet, die Sitzordnung der Kinder wurde nach Leistung festgelegt, dreimal im Jahr gab es Ferien und am Schuljahresende eine Abschlussprüfung vor dem Kuratorium. Und ... es ist alles nicht neu, meine Damen und Herren, ... einmal im Jahr kam die Schulinspektion!! Schon 1862 wurde mit ansteigender Schülerzahl der Raum am Markt zu klein. Die Schule zog um in einen aus dem Mittelalter stammenden und für Kamen so typischen Burgmannenhof. Es war der Galenhof - bitte an dieser Stelle keine falschen Rückschlüsse – gelegen am Bollwerk, dem heutigen Sitz der Musikschule. Jedoch sollte der Galenhof nicht ständige Heimat der Rektoratschule werden. 13 Jahre später, 1873, begann man dann mit dem lange ersehnten Neubau, und zwar an der Kämerstraße, wo heute die Fa. Brumberg ihre Geschäftshäuser hat. Am 27.07.1874 konnte die neuerbaute Schule endlich feierlich bezogen werden.
Aber die Entwicklung der Schule war damit nicht zu Ende. Im Laufe der Jahre wurden die kritischen Stimmen immer lauter, die vor allem vortrugen, dass das Fach Latein  eine zu dominante Stellung im Lehrplan habe und dass die Ausrichtung der Schule auf die Schüler, die keinen gymnasialen Abschluss anstreben, deutlich erhöht werden müsse. Der ab 1897 amtierende Rektor Adolf Kiel setzt sich vehement für eine Umgestaltung der Schule ein, aber erst Bürgermeister Adolf von Basse gelingt es ab 1907, das mittlerweile existierende Provinzialschulkollegium mit Sitz in Münster zu überzeugen. Nach einer Visitation des Provinzialschulrates Prof. Dr. Norrenberg fällt am 06.07.1907 die Entscheidung . Die bestehende Rektoratschule wird erweitert in ein „Reform- und Realprogymnasium nach Frankfurter System“, und das ab Ostern 1908. Das heißt erstens: die schon vorhandenen vier Jgst. (in alter Bezeichnung) Sexta, Quinta, Quarta, Untertertiawerden sukzessive um die Obertertia und die Untersekunda aufgestockt und die Schüler erhalten am Ende der Schullaufbahn einen qualifizierten Abschluss, das sog. „Einjährige“ . Das heißt darüber hinaus: Französisch wird erste Fremdsprache ab Klasse 5, Latein nur noch zweite FS ab Klasse 8 und Englisch dritte FS ab Klasse 9. Der Chronist Theo Simon bemerkt dazu: „Die Neuregelung bricht mit einer jahrhundertealten Tradition ... und ... Die Kamener höhere Schule ist eine moderne Bildungsstätte geworden.“ (Simon, 82/83) ... und das im Jahre 1907, zu Kaisers Zeiten!! Es darf nicht unerwähnt bleiben, dass die Schule mittlerweile ein weiteres Mal umgezogen war, und zwar 1906 . Einige Meter von uns entfernt, mit der Adresse Hammer Straße,  war ein großes neues Schulgebäude errichtet worden, was wir heute als Diesterwegschule kennen. Zum Leiter der Schule wurde Dr. Hermann Everlien bestellt, den wir auf dem mit der Sexta von 1910 sehen. Er konnte, wie berichtet wird, dem Institut in Kamen und darüber hinaus eine sehr hohe Reputation verschaffen. 1924 wird das Reform- und Realprogymnasium bereits von 212 Schülern besucht, mit 6 Klassen und 8 Lehrern.
Doch der letzte Schritt in der Entwicklung unserer Schule steht noch aus. Bei vielen Kamener Eltern kommt nach dem 1. Weltkrieg und damit in den Anfangsjahren der Weimarer Republik Unmut auf, weil es in unserer Stadt keine Möglichkeit gibt, das Abitur abzulegen. Sie schicken deshalb ihre Kinder auf die höheren Schulen nach Dortmund, Hamm oder Unna. In dieser Situation sieht der damalige Bürgermeister Gustav Adolf Berensmann Handlungsbedarf. In Zusammenarbeit mit dem Schulkollegium und dem Stadtrat erwirkt er die ministerielle Genehmigung zum Ausbau einer Vollanstalt, wie es damals hieß. Ab Ostern 1928 gibt es folgerichtig das sog. Reform-Realgymnasium mit den zusätzlichen Jgst. Obersekunda, Unterprima und Oberprima, insgesamt also mit den Klassen 5 – 13, und dem Abitur als Abschluss. Im Februar 1931 gab es die langerhoffte Premiere: 17 Schüler legten zum ersten Mal in Kamen erfolgreich die Reifeprüfung ab.
Die Machtübertragung an die Nationalsozialisten, 2 Jahre später, hatte auch eine deutliche Zäsur im Schulsystem zur Folge. Die eingeleitete Schulreform stand unter einer unmissverständlichen Zielsetzung: „Das nationalistische Erziehungssystem ist seinem Ursprung nach nicht ein Werk der pädagogischen Planung, sondern des politischen Kampfes und seiner Gesetze.“ (Simon, 87) In der Zeit, in der vor dem „Braunen Haus“ auf dem Kamener Marktplatz SA-Truppen aufmarschierten, das Schulorchester des Gymnasiums bei Maifeiern auftrat und die politischen Wahlergebnisse in Kamen eine deutliche Sprache sprachen, wurden Lehrpläne und Stundentafeln verändert. Die Uniformierung und das Hitler-Portrait an der Wand bestimmten mehr und mehr den Schulalltag, der früher unterrichtsfreie Samstag wurde mit dem Ziel der Wehrertüchtigung zum „Staatsjugendtag“ erklärt und die schriftlichen Abiturthemen, z.B. im Fach Deutsch, spiegelten die totale Ideologisierung von Schule wider. Somit war es folgerichtig, dass die Schule 1938 ihren fünften Namen bekam, und zwar „Städtische Oberschule für Jungen“, obwohl seit 1934 auch Mädchen die Schule besuchten. Die Zerstörungen und das Leid des 2. Weltkrieges machten auch vor einer Kleinstadt wie Kamen nicht halt. Lehrer und Schüler unserer Schule wurden zum Heeresdienst eingezogen, aus dem sie z.T. gar nicht oder schwerverletzt zurückkehrten. Studienrat Albert Panne z.B. kam aus Stalingrad nicht mehr heraus. Schon im August 1939 wurde das Schulgebäude – ich spreche immer noch von der jetzigen Diesterwegschule – vorübergehend in ein Reservelazarett umfunktioniert. Der Chemieraum im Keller diente als Küche; auf dem Dach der Schule war ein großes „Rotes Kreuz“ angebracht; Fliegerangriffe und ungewisses Warten im Luftschutzkeller waren an der Tagesordnung, bes. in den letzten beiden Kriegsjahren. Heute ist kaum mehr verständlich, dass Schüler der 7. und 8. Klassen zu Luftwaffenhelfern ausgebildet wurden. Und nach einer schweren Bombardierung im Februar 1945 musste das Gymnasium für die Instandsetzung sogar ca. 1 Jahr geschlossen und der Unterricht in Volksschulen verlegt werden.
Nach dem Kriege begann die schwierige Wiederaufbauarbeit mit großer materieller Not und den teilweise unüberwindbaren Sorgen des Alltags. Der Drang nach Bildung und Ausbildung konnte jedoch dadurch nicht gebremst werden. Im Januar 1949 hatte unser Gymnasium bereits 484 SuS und ein Dokument, das mir erst in den letzten Tagen zugekommen ist, besagt, dass alle neuen Sextanerinnen und Sextaner des Jahres 1948 einen Stuhl mitbringen mussten, um in der Schule überhaupt einen Sitzplatz zu bekommen. Bald (1956 und 1964) waren auch bei dem damaligen Schulgebäude Anbauten notwendig. In der Mitte des Jahres 1949, als die stolze Abiturientia mit dem ersten regulären Nachkriegsabitur schon verabschiedet war, gab es noch eine weitere schulpolitische Entscheidung. Und zwar im Sinne der Diskussion um die damaligen drei Grundtypen von höheren Schulen. Nach langen und kontroversen Verhandlungen sprachen sich der Schulträger, das Kollegium und die Elternschaft für die Form und den Schulnamen „Städtisches Neusprachliches Gymnasium“ aus. Diese Variante nahm nicht nur Rücksicht auf die finanziellen Möglichkeiten der Kommune, sondern hatte auch die Förderung der Mädchen zum Ziel. Jungen und Mädchen wurden jedoch bis 1958 in den Klassen 5-10 voneinander getrennt unterrichtet. Den insgesamt sechsten Namen erhielt  unsere Schule dann abschließend im Zusammenhang der Oberstufenreform im Dezember 1974 : „Städtisches Gymnasium“; diesen haben wir, trotz einiger Änderungsoffensiven auf dem Wege, bis heute behalten.
Im Jahre 1951 übernahm Walter Schwabe aus Bielefeld die Leitung des Neusprachlichen Gymnasiums, und das für insgesamt 22 Jahre; der Schulleiter also mit der längsten Amtzeit. Wir sehen ihn auf den einmal mit Abiturientinnen, dann mit dem Kollegium von 1954 und danach mit dem Kollegium von 1966. Der stetige Anstieg der Schülerzahlen (1958 waren es bereits 530 SuS in 18 Klassen) machte unter seiner Führung eine Diskussion um einen weiteren Neubau unumgänglich. Nach Abschluss eines Architektenwettbewerbes und erfolgreicher Bauarbeiten erfolgte am 22.03.1969 der Umzug der Schule, sozusagen über die Straße, in das heutige Hauptgebäude, ausgelegt für ca. 800 SuS . Und ein halbes Jahr später konnte auch die Konzert-Aula eingeweiht werden, in die wir heute morgen eingeladen haben und die wir seitdem für alle Schulveranstaltungen dankenswerterweise nutzen können. Somit waren 1969 die baulichen und organisatorischen Voraussetzungen für eine mehrjährige zufrieden stellende unterrichtliche und außerunterrichtliche Arbeit geschaffen.
Der genannte Walter Schwabe und sein Stellvertreter Heinz Dietzel sowie ab 1974 Manfred Köhler und sein Stellvertreter Theo Simon prägten das Gymnasium nachhaltig mit ihren jeweils eigenen Charakteren, Vorstellungen und auch Visionen. Ich greife einmal mosaikartig in die Vergangenheit: Wer von uns erinnert sich noch an
  • die 100- und 125-Jahr- Feiern der Schule 1958 und 1983
  • den Schüler Norbert Harlinghausen, Abitur 1946, später langjähriger ZDF-Korrespondent
  • den Schüler Jürgen Girgensohn, Abitur 1947, später Kultusminister des Landes NRW, dessen Abiturarbeiten sich bis heute im Schularchiv befinden
  • den Schüler Dietrich Schwanitz, Abitur 1959, später Universitätsprofessor und Autor des Bestsellers „Bildung. Alles, was man wissen muss.“ Über ihn hat die damalige Mitschülerin Angela Denzel, die auch heute Morgen anwesend ist, einen wunderbaren Artikel in unserer Festschrift verfasst.
  • die „außergewöhnlichen“ Lehrer Maria Ahmer, Heinrich Flaskamp, Günter Heermann, Hans Beyer und Karl Seliger
  • diese Kollegen (Foto)
  • die Vizewestfalenmeister im Feldhandball von 1966
  • den ersten Beratungslehrer der „Differenzierten Gymnasialen Oberstufe“, Rolf Fahsel
  • die Einführung des LKs Sport 1978
  • die Einführung der schulfreien Samstage ab 1979
  • erste Studientage und Projektwochen
  • das Sprachlabor als mediale Sensation
  • an Dr. Terschluse, den Begründer der musikalischen Kultur unseres Gymnasiums
  • Manfred Köhlers organisierten Widerstand gegen die Einführung der Koop-Schule
  • Theo Simons Stecktafel für den Stundenplan
  • Theo Simons vorbildliche Leistung bei der Aufarbeitung der Schulgeschichte
  • die körperlich und sprachlich dominierende Chefin des Sekretariats, Ilse Strenge
  • die Hausmeister Werner Krüger und Dieter Westhoff
  • die Gründung der Schülerfluggemeinschaft unserer Schule
  • die Pavillons auf dem Parkplatz der Diesterwegschule, in denen man den Unterricht der Nachbarklasse problemlos mitverfolgen konnte
  • den legendären Oberstufenpavillon mit der subkulturellen Teeküche und den (in seinem Endstadium) bereitgestellten Eimern für die Aufnahme von Regenwasser
die Aufstellung der mittlerweile berühmten Abi-Uhr ?
Mit dem Amtsantritt unseres jetzigen Bürgermeisters Hermann Hupe als Stellvertreter 1987 und dann als Schulleiter 1991 begann eine Phase des Neuanfangs, der Erneuerung und der Modernisierung. Wir sehen ihn hier mit seinem Kollegium von 1993. Es mussten aufgeworfene Gräben zugeschüttet und eine Schulgemeinde, die sich auch als solche verstand, wieder hergestellt werden. Dabei hat ihn sein Stellvertreter Peter Becker, auch auf dem Foto zu erkennen, gut unterstützen können. Glücklicherweise hatte die Stadt Kamen schon 1990 den Umbau und die Erweiterung des Gymnasiums – also so, wie wir die Schule heute kennen – als sog. „große Lösung“ auf den Weg gebracht, mit einer Investition von über 11 Millionen DM. Nach umfangreichen und z.T. schwierigen Baumaßnahmen konnten wir dann 1992 den Südanbau und im Frühjahr 1993 den Westanbau beziehen, ebenso die neue Bibliothek und das neue Eingangsfoyer. Wir haben damals ein fröhliches und entspanntes Einweihungsfest gefeiert. Schon relativ früh stellte sich heraus, dass Hermann Hupe nicht nur „Verwalter“ der ihm übertragenen Aufgaben war, sondern „Gestalter“ im Sinne eines mittlerweile selbstverständlichen Schulmanagements. Er hat viele Projekte und Innovationen im Organisatorischen, Pädagogischen und Personellen initiiert und sie in Abstimmung mit dem Kollegium und den anderen Gremien durchgesetzt und durchgeführt. Sein Schaffen hat das Städtische Gymnasium Kamen hinsichtlich Qualität und Reputation deutlich nach vorn gebracht. Ich möchte deshalb die heutige Gelegenheit nutzen, Hermann Hupe ausdrücklich für die hervorragende Arbeit als Schulleiter zu danken. Bei seinem Abschied aus der Schule in Richtung Rathaus am 30.07.2003 hat Hermann Hupe mir ein Gymnasium übergeben, das den Anforderungen der Zeit gewachsen war. Wir haben in den letzten 5 Jahren bis heute, 2008, diesen Weg fortgesetzt und neue Akzente gesetzt. Jedoch hat sich Schule mittlerweile deutlich verändert. Die qualitativen Anforderungen und der Druck von außen sind mit denen früherer Zeiten kaum zu  vergleichen. Das Zeit- und Organisationsmanagement werden zur Kunst.
Meine Damen und Herren, liebe KuK, liebe SuS, ich habe in meinen Ausführungen versucht,  die 150-jährige Geschichte unseres Gymnasiums als städtische Schule in den vielen Facetten und den Höhen und den Tiefen zu beschreiben und zu verdeutlichen. Ich hoffe, dass mir dieses Vorhaben annähernd gelungen ist. Zum Abschluss möchte ich gerne fragen: Wo stehen wir, als Städtisches Gymnasium Kamen, heute, am 21. November 2008? Ich lege die Bescheidenheit einmal ab und traue mich zu sagen, dass wir eine moderne Schule des 21. Jahrhunderts sind, mit über 1200 SuS und ca. 80 Lehrerinnen und Lehrern, mit einem sehr breiten unterrichtlichen und außerunterrichtlichen Angebot, also mit einem „großen Markt der Möglichkeiten“ sowie mit sehr guten Kontakten nach außen. Wir verspüren ein angenehmes Arbeitsklima und eine hohe Akzeptanz in der Öffentlichkeit. Die schulischen Ergebnisse, nicht nur im Abitur, können sich sehen lassen. Die Zusammenarbeit in den Mitwirkungsgremien ist äußerst angenehm. Natürlich gehen wir den derzeitigen Weg der Entwicklung von Schule hin zur Eigenverantwortung mit und begrüßen ausdrücklich den verstärkten Blick auf  Transparenz und Qualität. Jedoch wäre meine Bitte, uns bei allen notwendigen Reformen mehr Zeit einzuräumen, uns Verlässlichkeit zu vermitteln und Veränderungen mit mehr Weitblick zu planen und durchzusetzen.
Ich bedanke mich am Ende bei allen, die unsere Schule in den vielen, vielen Jahren ihrer Existenz mitgeprägt, unterstützt und begleitet haben. Mein besonderer Dank geht an die Bezirksregierung Arnsberg als Schulaufsichtsbehörde und an die Stadt Kamen als Schulträger. Von beiden Seiten haben wir jederzeit die Unterstützung bekommen, die notwendig und sinnvoll war. Dafür unser aller Dank! Vergessen darf ich nicht die vielen engagierten Eltern, die in den Gremien und darüber hinaus Schule selbstverständlich mitgestalten. Vergessen darf ich auch nicht das Kollegium, das trotz der sichtbaren wachsenden Belastungen den Grundkonsens mit unserer Schule nicht in Frage stellt. Vergessen darf ich ebenso nicht das weitere Personal der Schule, ohne dessen Unterstützung unsere große Maschine kaum funktionieren würde. Und vergessen darf ich schließlich nicht die SuS, die trotz der „Zwangsveranstaltung Schule“ manchmal sogar sagen: „Wir fühlen uns hier wohl!“ In diesem Sinne wünsche ich unserem Städtischen Gymnasium eine gesunde Zukunft und allen, die in ihm arbeiten und es von außen unterstützen alles Gute!
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